Fragen an den Gutachter

Was das Gespräch im Februar 2024, unter anderem mit Herrn Soziallandesrat Pewny und den Leiter der Salzburger Sozialabteilung Herrn Eichhorn, brachte.

Nachdem der Amtsleiter Herr Eichhorn meinte, ein weiteres Gutachten wäre nicht möglich und ein Gegengutachten würde nicht anerkannt werden, wurde mir vom Landesrat Herrn Pewny die Möglichkeit eingeräumt, selbst Fragen an den Gutachter zustellen. Diese habe ich am 2. April an Herrn Eichhorn gesandt.

Sehr geehrter Herr Gutachter Dr. X,

ich vermute Sie wissen über meinen Gesundheitszustand und die für mich alltäglichen
Folgen der hohen Querschnittsverletzung nicht ausreichend Bescheid. Ihr Gutachten dient
aber als Grundlage für die Weitergewährung meiner bisherigen Pflegeform. Wird diese
nicht weitergewährt fürchte ich um mein Leben, und Sie hätten die Verantwortung zu
tragen. Ich bitte daher um Beantwortung der untenstehenden Fragen, um meine Situation
besser abbilden zu können.


1) Vielfältige Atemproblematiken
Meine Atmung ist sehr eingeschränkt. Im Sitzen kann ich die Atemnot durch bewusstes
Schaukeln des Oberkörpers oder/und willkürliches Vertiefen der Atmung kompensieren.
Manchmal ist aber eine weitere zusätzlich erhöhte Atemarbeit nötigt, beispielsweise bei
einer angehenden Infektion, querschnittsbedingte Darmprobleme wie durch
Zwerchfelleinschränkungen oder bei erhöhter Außentemperatur, um die Körpertemperatur
zu reduzieren (Ich kann nicht schwitzen!). In diesem Fall erschöpft sich meine
Atemmuskulatur bald und es wird eine maschinelle Unterstützung notwendig, um eine
ausreichende Sauerstoffversorgung sicherzustellen.


Anders gestaltet sich die Situation im Schlafzustand. Während des Schlafes besteht für
mich vermutlich die Gefahr einer Hyperkapnie (erhöhter Kohlenstoffdioxidgehalt im
Blut), aber sicherlich die Gefahr einer Hypoxie (niedriger Blutsauertoffgehalt). Um dem
entgegenzuwirken, benötige ich eine Atemunterstützung. Dies kann entweder mittels
Zwerchfellstimulator oder eines Beatmungsgerätes erfolgen. Da die Möglichkeit mittels
Zwerchfellstimulator für mich nicht mehr zufriedenstellend war (durch vermutlich
fehlerhafte Implantate), wurde die NIV (nicht invasive Ventilaton (=Beatmung) im
BIPAP-Modus mit eingestellten Atemzugsvolumen und eingestellter Atemfrequenz
etabliert. Auf Grund dieser Einstellungen kann man eindeutig von einer Beatmung
sprechen und unterscheidet sich so von einer CPAP-Unterstützung, welche im Grunde
keine Form der Beatmung darstellt. Zusätzlich kann sich die Atemmuskulatur nachts
erholen.


Sollte beispielsweise die Maske verrutschen, besteht meiner Meinung nach die Gefahr,
dass es zu einer Hypoxie und Hyperkapnie kommt, welche unbehandelt zu
Hirnschädigung und Tod führen können. Deswegen ist es meiner Meinung nach eine
Überwachung von dementsprechend geschultem Personal notwendig, welche in
Gefahrensituationen wissen, wie sie das Gerät bedienen und in Notfallsituationen Hilfe
bieten können.

Fragen dazu:

  • Können Sie garantieren, falls mich kein ausreichend geschultes Personal
    überwacht, dass ich keinen Schaden erleide, wenn mir z.B. die Maske verrutscht
    und keine adäquate Beatmung stattfindet?
  • Besteht die Gefahr einer Hypoxie und oder einer Hyperkapnie?
  • Falls ja, besteht die Gefahr einer Bewusstlosigkeit?
  • Sollte es zu einer Bewusstlosigkeit kommen, was für gesundheitlichen Folgen
    könnte das für mich haben?
  • Kann man davon ausgehen, dass eine nicht intensivmedizinisch geschulte
    Pflegeperson oder Heimhilfe, sich mit Beatmung im Allgemeinen, dem
    Beatmungsgerät und Notfallmaßnahmen auskennt?
  • Falls die Hilfe nur durch das Absetzen eines Notrufes erfolgt, wie hoch ist die
    Wahrscheinlichkeit eines schweren Schadens für mich, im Falle einer Hypoxie?
    Es kann davon ausgegangen werden, dass bis zum Eintreffen eines
    Rettungsdienstes viele Minuten vergehen werden!

2) Vielfältige Kreislaufprobleme
Blutdrücke von 60 zu 40 (bis zu nicht mehr messbar) sind phasenweise über Wochen die
Regel. Kritisch ist dies besonders im Bad, nachdem ich schon länger am Duschsessel sitze.
Durch Einnehmen der „Kutscherstellung“ und Vornüber-Beugen kann ich nicht nur die
schwache Atmung unterstützen, sondern auch den niederen Blutdruck im Schach halten. Beim
Anlegen des Urinalkondoms, muss ich jedoch den Oberkörper aufrichten und dann ist die
Gefahr des Bewusstseinsverlustes am größten. So sitze ich schon manchmal über 30 Minuten
in der schaukelnden Vornüber-Beugung bevor es gelingt, lange genug den Oberkörper
aufrecht zu halten, um das Kondom anzulegen. Tagsüber kann ich bei Anzeichen von zu
niedrigem Blutdruck, mittels auslösen einer Sonderfunktion des Elektrorollstuhls
vorübergehend behelfen, die mich in eine Schocklage bringt.
Aber auch hohe Blutdrücke in Zusammenhang einer Autonomen Dysreflexie stellen sich bei
mir oft ein. Zum Beispiel bei anstehender Stuhlausscheidung, die ich über Umwege wie
Übelkeit, Unruhe usw. verspüre, kann es zu bedrohlichen Blutdruckspitzen kommen. Durch
unmittelbarer darauf erfolgender manueller Stuhlmobilisation und Stuhlentfernung
normalisiert sich der Blutdruck, manchmal sinkt er aber zu stark, sodass ich kollabiere.


Frage dazu:

  • Können sich bei nicht adäquater Reaktion auf meine speziellen Blutdruckprobleme lebensgefährliche Komplikationen einstellen?


3) Wer hat das nötige Fachwissen und ist befugt:

  • das Tracheostoma zu reinigen, zu pflegen und abzukleben (tgl 1 bis 2x, bei größer Sekretbildung auch öfters)
  • den Darm digital zu stimulieren und den Stuhlgang auszuräumen? (3-4x tgl bis alle 4 Tage einmal)
  • Hautproblematiken zu erkennen und entsprechend zu behandeln (Aktuell habe ich einen nässenden Dekubitus am Steißbein.)
  • das Beatmungsgerät oder den Zwerchfellschrittmacher zu bedienen
  • und wer kennt sich mit Beatmung im Allgemeinen und bei den spezifischen Notfallmaßnahmen aus?


4) Zukunftsaussichten:
Anfänglich konnte ich großartige, unerwartete Verbesserungen erreichen. Seit 2020
verschlechterte sich allerdings mein Zustand. Beispielsweise ist ein Gehen mit zwei 4-
Punktgehstöcken nur mehr kurzeitig mit Begleitung des Physiotherapeuten möglich. Ich habe
gelesen, dass sich im Langzeitverlauf viele Symptome gerne verschlechtern, wie die der
Autonomen Dysreflexie, der unzureichenden Atmung und der Darmproblematiken und
dadurch würden auch die lebensgefährlichen Situationen zunehmen.

Frage dazu:

  • Sind noch Verbesserungen zu erwarten oder ist es wahrscheinlicher, dass es bereits ein Erfolg ist, Verschlechterungen möglichst lang hinauszuzögern?


Ich weiss, meine Diagnosen sind schon älter. Leider gibt es in Österreich kein Fachzentrum
für beatmete Querschnittsgelähmte. Aktuell versucht meine Frau, eine der normalerweise
jährlich empfohlenen stationären Untersuchungen in Deutschland zu erreichen.


Ich danke im Voraus für die Beantwortung der Fragen


Günter Stratznig

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